Robert Koch-Institut: Behördenchef rechnet mit Tracking von Infizierten

Update 2 Sven Bauduin
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Robert Koch-Institut: Behördenchef rechnet mit Tracking von Infizierten
Bild: Robert Koch-Institut

Professor Lothar Wieler, seines Zeichens Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), der Bundesoberbehörde für Infektionskrankheiten und nicht übertragbare Krankheiten, rechnet in Folge der Entwicklungen um das Coronavirus (SARS-CoV-2) damit, dass mit COVID-19 Infizierte zukünftig mit Hilfe von Mobilfunkdaten überwacht werden.

Robert Koch-Institut setzt auf Handydaten

Wie der Chef des Robert Koch-Instituts in einem Video des Pressebriefings zur aktuellen Lage von COVID-19 in der Bundesrepublik vom gestrigen Tage zu verstehen gab, halte die Bundesoberbehörde die Auswertung von mobilen Daten „für ein sinnhaftes Konzept“.

Es gelte dabei zwar noch technische und datenschutzrechtliche Betrachtungsweisen abzuwägen, das Robert Koch-Institut sei aber der Auffassung, dass die Erfassung von infizierten Menschen mit Hilfe von Mobilfunkdaten, beispielsweise mittels Tracking des Smartphones, technisch und datenschutzrechtlich durchaus möglich sei.

Kontaktpersonen per Tracking ermitteln

Mit Hilfe der mobilen Daten und des Trackings von mit COVID-19 infizierten Menschen würden mögliche Kontaktpersonen schneller identifiziert und ausfindig gemacht werden können, was die Arbeit der Gesundheitsämter enorm entlasten würde. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt müssen sich die Ämter anhand von Gesprächen ihr eigenes Bild der Lage und von möglichen Kontaktpersonen konstruieren, was sehr zeitaufwändig sei, so Prof. Dr. Wieler während der Pressekonferenz in Berlin.

Wenn Sie sich vorstellen, dass es möglich wäre, herauszufinden anhand einer bestimmten Applikation, wer denn in den letzten zwei Wochen in einer bestimmten Entfernung und für eine bestimmte Zeit in dieser Entfernung gewesen wäre, dann wäre das natürlich zielgenauer, diese Person direkt zu kontaktieren.

Prof. Dr. Lothar Wieler, Präsident der Robert Koch-Institut

Konzept soll schon bald vorliegen

Wie der Präsident des Instituts sagte, arbeiten seit drei Wochen 25 Personen unentgeltlich an einem Konzept, das schon bald vorliegen soll. Den Mitarbeitern gehe es um Solidarität und darum ihrem Land zu dienen, so Wieler weiter.

Bereits am 5. März hatte der Tagesspiegel Wieler hinsichtlich des möglichen Handy-Trackings von Erkrankten mit den Worten zitiert: „Wir wissen inzwischen, dass das technisch möglich ist“.

Ich bin sehr optimistisch, dass uns das gelingen wird und wir in Kürze ein überzeugendes Konzept haben werden.

Prof. Dr. Lothar Wieler, Präsident der Robert Koch-Institut

Gegenwind aus Politik und Wirtschaft

In Politik und Wirtschaft stoßen die Pläne des Robert Koch-Instituts und seines Chefs auf wenig Gegenliebe, so sagte beispielsweise Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) auf Nachfrage des deutschen Auslandsrundfunks Deutsche Welle: „Das ist rechtlich nahezu ausgeschlossen!

Die Deutsche Telekom bezeichnet das Vorhaben des Robert Koch-Instituts laut Golem gar als „Unfug“.

Update

Deutsche Telekom liefert Handydaten an Robert Koch-Institut

Wie der Tagesspiegel jetzt berichtet, liefert die Deutsche Telekom nun doch Mobilfunkdaten zur Eindämmung des Coronavirus' an das Robert Koch-Institut, wenn auch vorerst in anonymisierter Form.

Eine Sprecherin der Deutschen Telekom bestätigte diesen Umstand nun gegenüber der Tageszeitung und sagte:

Die Herausforderungen von Corona sind gigantisch. Wenn anonymisierte Massendaten zum langsameren Verlauf der Infektionskurve beitragen und Leben retten können, kommen wir der Bitte zur Unterstützung der staatlichen Stellen gerne nach.

Deutsche Telekom

Laut Informationen des Tagesspiegels will der Netzbetreiber aus Bonn dem Robert Koch-Institut diese „Datenspende“ kostenlos zur Verfügung stellen.

Ob und wann der Wunsch des Robert Koch-Instituts nach einer personenbezogenen Überwachung von infizierten Menschen und deren Kontaktpersonen Realität wird und ob solche Maßnahmen mit geltendem Recht zu vereinbaren sind, ist indes weiterhin unklar.

Update

Vorerst wohl doch keine Handyortung von Infizierten

Die von RKI-Chef Professor Dr. Lother Wieler angeregte Idee der Handyortung von mit COVID-19 infizierten Menschen, stieß bei Bundesgesundheitsmenister Jens Spahn (CDU) zuerst auf offene Ohren und wurde bereits in Regierungskreisen diskutiert, wie der Tagesspiegel bereits am Samstag berichtete.

Wie nun aber das Handelsblatt bekanntgegeben hat, sollen sich diese Pläne aber vorerst vom Tisch sein und „Gesundheitsminister Spahn rudert bei Handytracking zurück“, so das Wirtschaftsmagazin.

SPD-Digitalpolitiker Jens Zimmermann sagte gegenüber dem Handelsblatt, dass es sich ohnehin um einen „Blankoscheck“ zur individuellen Ortung und Nachverfolgung handeln würde und demnach nicht denkbar wäre. Eine Sicht die auch die Datenschützer in Deutschland vertreten und deshalb zu einem sorgfältigen Vorgehen mahnen.

Der derzeitige Handlungsdruck darf eine sorgfältige rationale Abwägung und Aufarbeitung der komplexen Fragestellungen nicht verhindern.

Johannes Caspar, Hamburger Datenschützer

Mögliche Gedankenspiele über eine Handyortung von infizierten Menschen sind somit vorerst vom Tisch.